Ärztefortbildungen weiterhin als Werbeveranstaltungen von Pharmafirmen genutzt – Ärztekammern müssen handeln!
Gemeinsame Recherche von „Follow the Grant“ und MEZIS zeigt erneut Handlungsbedarf bei Neutralität von Ärztefortbildungen
Im Fokus der Recherche stand diesmal die (nach eigenen Angaben führende) Ärztefortbildungsfirma Esanum, die im ganzen Bundesgebiet Hausarztfortbildungen anbietet – zuletzt Corona-bedingt digital. Schon in der Vergangenheit waren enge Verflechtungen von Esanum zu Pharmafirmen aufgefallen (Analyse: https://mezis.de/cmewatch/) mit hohen Sponsoringsummen von fast 150.000 Euro verschiedener Pharmafirmen für eintägige Fortbildungsveranstaltungen. Darüber hinaus zeigt eine Analyse der Interessenkonfliktangaben von Referentinnen und Referenten und deren Vorträge einer Esanum-Veranstaltung im November 2020 in Berlin, dass die vortragenden Expertinnen und Experten Gelder von Firmen erhalten, die für ihr Vortragsthema relevante Medikamente herstellen. Das lässt Zweifel an der Produktneutralität der Veranstaltung aufkommen.
Verschiedene Landesärztekammern verweigerten 2020 Esanum aus diesem Grund die Zertifizierung ihrer Veranstaltungen, so dass Ärztinnen und Ärzte sie nicht auf ihr „Fortbildungskonto“ einreichen konnten. Esanum klagte in Hamburg gegen diese Entscheidung. Die Richter gaben Esanum Recht, u.a. mit der Begründung, die Forderung der Fortbildungsordnung nach einer Freiheit „von wirtschaftlichen Interessen“ sei bei jeder – ausdrücklich erlaubten – gesponserten Veranstaltung widersprüchlich zu werten und praktisch nicht zu erfüllen.
Dr. med. Niklas Schurig, Vorstandsmitglied der Ärzteinitiative MEZIS: „MEZIS fordert seit mehr als einem Jahrzehnt, kein Industriesponsoring bei Ärztefortbildungen mehr zu erlauben. Selbst das Hamburger Gericht folgt unserer Argumentation, dass Sponsoren AUSSCHLIESSLICH aus ökonomischen Interessen in eine Veranstaltung investieren.“
MEZIS Vorstandsmitglied Manja Dannenberg fügt hinzu: “Ein Einfluss auf die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung, wie sie unsere Berufsordnung fordert, kann so niemals ausgeschlossen werden. Es braucht ein mutiges Signal der Bundesärztekammer an die Ärzteschaft!“
MEZIS bietet zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), der Heidelberger Medizinakademie (HD MED) und weiteren Organisationen als „Aktionsbündnis 2020“ unter cme-sponsorfrei.de bereits jetzt eine Plattform für industrieunabhängige Fortbildungen. „Wir haben sehr strenge Regeln zur Transparenz und zum Management von Interessenkonflikten formuliert und wollen vor allem zeigen: Unabhängige Fortbildung ist machbar!“, schließt Dr. Niklas Schurig.
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